«Bedürfnisse der älteren Generation rücken vermehrt in den Vordergrund»

 

Immer mehr Menschen erreichen ein hohes Alter und möchten so lange wie möglich zuhause wohnen. Die Gemeinden können ihren Beitrag dazu leisten, älteren Menschen ein altersgerechtes Umfeld zu bieten, sagt Sandra Hess, Vorstandsmitglied von seeland.biel/bienne. Ein neuer Bericht über die regionale Altersplanung zeigt auf, wo noch Handlungsbedarf besteht.

 

Kürzlich hat seeland.biel/bienne den Schlussbericht zur regionalen Altersplanung 2021 bis 2030 vorgestellt. Welche Erkenntnisse erbrachte er?

Eine wichtige Erkenntnis ist, dass die vor zehn Jahren prognostizierte Unterversorgung mit Pflegeplätzen heute in der Realität nicht besteht. Die Lebensumstände der Menschen haben sich verändert. Sie bleiben heute länger zuhause und ziehen erst in ein Heim, wenn sie stark pflegebedürftig sind. Die Anzahl der über 80-Jährigen wird sich bis 2045 verdoppeln! Menschen in diesem Alter sind heute gesünder und fitter als je zuvor und wollen möglichst lange selbstständig leben.

 

Was bedeutet diese Entwicklung für die Gemeinden?

Die Gemeinden sollten ihren Teil dazu beitragen, dass ältere Menschen länger in ihrem vertrauten Umfeld bleiben können. Auch wer seinen Alltag noch weitgehend selbstständig bewältigt, ist mit zunehmendem Alter ja immer mehr eingeschränkt. Da wird es zum Beispiel wichtig, dass man an einem zentrumsnahen Ort wohnt, wo es Läden für den täglichen Einkauf gibt. Und wo man Anschluss an den öffentlichen Verkehr hat, weil man selbst nicht mehr Auto fahren kann. Die Gemeinden können beispielsweise im Rahmen ihrer Ortsplanung geeignete Rahmenbedingungen schaffen, damit ein altersgerechtes Wohnungsangebot entsteht.

 

Tun die Gemeinden heute zu wenig für ihre Betagten?

Das kann man so nicht sagen. Aber man hat sich vielleicht in den letzten Jahrzehnten eher darauf konzentriert, junge Familien zu fördern. Wir haben Schulhäuser gebaut, Kita-Angebote geschaffen und vieles mehr. Jetzt rücken die Bedürfnisse der stark wachsenden älteren Generation vermehrt in den Vordergrund. Eine lebendige und attraktive Gemeinde muss auch ihnen Rechnung tragen.

 

Altersplanung ist eine Aufgabe des Kantons. Warum beschäftigt sich seeland.biel/bienne damit?

Weil viele Gemeinden entsprechende Bedürfnisse geäussert haben. Es geht nicht darum, dass wir an ihrer Stelle aktiv werden. Aber wir können eine koordinierende Rolle einnehmen und die Gemeinden unterstützen. Für nächstes Jahr hat seeland.biel/bienne bereits einige Projekte bestimmt.

 

Worum geht es da?

seeland.biel/bienne möchte zum Beispiel die Vernetzung zwischen den Leistungserbringern im Bereich der Altersplanung fördern. Eine gute Zusammenarbeit aller Akteure fördert die Qualität, ist effizient und holt das Optimum aus den finanziellen Mittel heraus. Eine hohe Priorität hat zudem die Erarbeitung eines Leitfadens für Gemeinden, die ein Altersleitbild neu schaffen oder ihr bestehendes aktualisieren wollen. Der Leitfaden soll ihnen ermöglichen, von den Erfahrungen zu profitieren, die andere bereits gemacht haben.

 

Welche weiteren Projekte gibt es?

Wir wollen die Gemeinden dafür sensibilisieren, bei Ortsplanungen, Landgeschäften oder beim Thema Mobilitätsangebote daran zu denken, den Bedürfnissen der älteren Bevölkerung den nötigen Stellenwert zu geben. Zudem möchten wir die Gemeinden dabei unterstützen, ihre Angebote noch besser für schwer erreichbare Personen zugänglich zu machen – also für Menschen ohne soziales oder persönliches Umfeld, die nicht oder nicht mehr integriert sind. Auf dem Land sind ältere Menschen häufig noch über die aktiven Vereine oder die Kirche erreichbar, im städtischen Umfeld ist die Vereinsamung oft grösser. Als Gemeinde sollte man sich um das Wohlergehen aller Einwohnerinnen und Einwohner kümmern. seeland.biel/bienne kann dabei einen wichtigen Beitrag leisten.

 

» Die Konferenzen von seeland.biel/bienne im Überblick